In meiner Kindheit habe ich Klavier gespielt. Jedes Jahr hat meine Klavierlehrerin ein großes Schülerkonzert im Beethoven-Haus in Wien organisiert. Mit sechzehn durfte ich bei dieser Gelegenheit den Trauermarsch von Frederic Chopin vortragen – der halbe Saal hat geweint. Danach haben mir zwei Talentscouts und meine Lehrerin ans Herz gelegt, mich im Konservatorium zu bewerben.
Was mich wunderte.
Weder konnte ich mich ans Klavier setzen und ein anspruchsvolleres Stück vom Blatt abspielen. Noch gehörte ich zu den begnadeten Menschen, die virtuos improvisieren. Das war meine Vorstellung von Talent. Ich hingegen musste üben. Und ich musste stuuundenlang üben, um ein Stück endlich auswendig zu können.
Klavierspielen viel mir nicht leicht.
Den Rest meines Lebens so viel Zeit übend zu verbringen, war für mich keineswegs verlockend. Statt eine Profillaufbahn anzustreben, habe ich wenig später mit der Klavierspielerei völlig aufgehört. (Letzteres tut mir heute leid, aber gut.)
Teil meines Berufes ist das Schreiben geworden.
Manche Autoren erzählen, wie sie sich an den Computer setzen und die Worte nur so aus ihnen herausfließen. Andere hören irgendwelche Stimme (i.e. channeln) und bekommen angesagt, was sie schreiben sollen.
Halleluja!
Ich habe fünf Bücher geschrieben, unzählige Blog-Artikeln und Reports. Keines meiner Werke ist ein literarisches Meisterwerk, aber immer wieder bekomme ich zu hören, wie leicht und angenehm meine Texte zu lesen wären. So als würde ich mit jemanden reden und die Sätze locker, flockig aufs Papier bringen.
Ich verrate Ihnen etwas: Schreiben fällt mir oft nicht leicht.
Ja, manchmal fließt es, doch wesentlich öfter braucht es Zeit und Mühe. Manchmal bin ich so genervt davon, dass ich mir schwöre, niiie wieder etwas zu schreiben … und dann tue ich es doch.
Ich bleib dran, weil es mein Ding ist.
Oder vielleicht auch umgekehrt: Es ist offensichtlich mein Ding, weil irgendetwas in mir dafür sorgt, dass ich dranbleibe.
Seit zwei Wochen poste ich meine Cartoons wieder auf Instagram. Statt dadurch neue Follower zu gewinnen, habe ich fünf verloren. Am liebsten würde ich sofort wieder damit aufhören, weil es nicht leicht geht. Ehrlich: Ich weiß noch nicht, ob ich dranbleibe oder bald wieder aufgebe.
Warum ich Ihnen das alles erzähle?
In meiner Coaching-Praxis begegnen mir so oft ambitionierte Menschen, die
Leichtgehen ist kein verlässliches Feedbacksystem
Dividieren wir zwei Dinge auseinander:
Leichtgehen auf der einen Seite – Dranbleiben oder Aufgeben auf der anderen.
JA! Wenn Sie das Gefühl haben, dass alles anstrengend ist, Sie ständig etwas hinterherrennen müssen, dauernd kämpfen oder vor verschlossenen Türen stehen, KANN das ein Zeichen dafür sein, dass Sie die „falschen“ Dinge verfolgen oder Dinge „falsch“ angehen. KANN das ein Zeichen, dass Sie nicht Ihr Ding machen bzw. Ihre Stärken und Talente nicht nutzen.
Aber Achtung!
Wenn Sie davon ausgehen, dass es immer leicht gehen muss, wird diese Idee dazu führen, dass Sie die richtigen Dinge nicht tun oder nicht konsequent genug sind. Vielleicht sogar denken, die richtigen Dinge nicht tun zu können oder kein Talent dafür zu haben. Sie bleiben nicht (lange genug) dran.
Und das ist ein Fehler
Vieles wird erst leichter, indem Sie es regelmäßig tun.
So wie Gewichte stemmen im Fitnesscenter.

Und – das mag seltsam klingen – es wird auch leichter, Dinge zu tun, die nicht leicht sind. Manches wir nämlich nie leichter. Weil wir wachsen und besser werden und damit immer wieder auf einem neuen Niveau vor neuen Herausforderungen stehen.
Metaphorisch gesprochen stemmen wir mit der Zeit schwerere Gewichte.
Kurz: Ohne Vorstellung, dass es leicht gehen muss, ist es leichter.
So können Sie auch klarer erkennen, ob Sie dranbleiben möchten oder eben nicht.
Hand auf´s Herz:
- Wo stehen Sie sich selbst im Weg, weil Sie denken, dass etwas leicht gehen muss?
- Was würden Sie tun, anfangen oder fortsetzen, wenn Sie wüssten, dass Mühe, kontinuierlicher Einsatz, Übung und/oder Anstrengung einfach dazugehören?
Und umgekehrt:
- Was ist mit Schwere, Mühe und permanenter Anstrengung verbunden, obwohl sich das nicht (mehr) richtig anfühlt?
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Sich das ehrlich einzugestehen, ist meist schon ein guter Anfang.
Lassen Sie mich wissen, was Sie herausgefunden haben.
Falls Sie auf Instagram sind und meine Cartoons mögen, freue ich mich riesig, wenn Sie mir dort folgen: instagram.com/beyourbest.at
Go for flow!